Aufbaukurs Bergsteigen 2023

13.02.2024

Unsere Vernagthütte diente als Stützpunkt für unseren Aufbaukurs Bergsteigen. Neben dem erlernen der sicherheitsrelevanten Techniken im Gelände und in der Theorie wartete mit dem Gipfel der Hochvernagtspitze ein krönender Abschluss auf alle. 

Ich glaube, ich kann für den gesamten Kurs sprechen, wenn ich sage, wir alle hatten bereits das ganze Jahr auf die Woche auf der Vernagthütte hingefiebert. Bei der Vorbesprechung zu den stattfindenden Kursen wurde diese Vorfreude nur noch größer, obwohl uns der alteingesessene Ausbilder Roland mit seiner ungezwungenen Art zunächst etwas einschüchterte.

Die Schulzeit lässt grüßen

Und so begaben wir uns gegen Ende Juli (manche pünktlicher als andere) auf den Weg nach Vent. Laut Wetterbericht stand uns eine eher mittelmäßige Woche bevor, und so waren wir mehr als glücklich, die Hütte trockenen Fußes zu erreichen und dem Gewitter, dass abends über die weitläufige Berglandschaft hineinbrach, gemütlich von unserem urigen Gemeinschaftsesszimmer aus zuzusehen. Nach dem Abendessen fühlte man sich für einen kurzen Moment in die Schulzeit zurückversetzt, als die Ausbilder mit einer Abfrage über die Basics begannen, die so manch einen kräftig ins Schwitzen brachte. (Zum Glück hatten wir kurz vorher heimlich auf den Zimmern alle wichtigen Details durchgesprochen.

Das Tom-Cruise-Manöver

Wie das nun mal so ist, wenn man die erste Nacht in einem knarzenden Holzbett verbracht hatte, starteten wir alle hoch motiviert mit ein paar Teambuilding-Spielen in den ersten Tag. Während wir den Vormittag damit zubrachten, die Grundlagen durchzugehen und vor der Hütte Standplätze zu bauen, erreichte der Tag später seinen Höhepunkt (wortwörtlich), als wir am nächstgelegenen Berg des Hauses zum ersten Mal so richtig an den Felsen gingen. Wir hatten unglaublich viel Spaß, eine senkrechte Wand raufund runterzuklettern und es gab sogar eine kleine „Rettungsaktion“, nachdem sich mein Freund „aus Versehen“ an einem zu kurzen Seil abgeseilt hatte, das nicht bis zum Boden reichte und ich ihn dann an einem zweiten längeren Seil sicher nach unten bringen durfte. Zufrieden begaben wir uns auf den Rückweg zur Vernagthütte, als Roland plötzlich zu entschieden haben schien, dass ihm der Abstieg etwas zu langsam vonstattenging. Ganz im Bundeswehr-Stil und von uns als Tom-Cruise-Manöver bezeichnet zeigte er uns, wie wir im Handumdrehen den Berg auch über unwegsames Gelände hinweg hinunterrennen konnten, während man das Seil vor der Brust überkreuzt hatte und mit beiden Händen die Geschwindigkeit regulierte. Den Abend ließen wir mit ein bisschen Bier und Wetterkunde ausklingen.

Auch die Nacht kann unser Motto "safety first" nicht bremsen 

Am Sonntag drehte sich dann alles ums Thema Selbstrettung – gemeinsam mit den anderen Kursen rotierten wir durch mehrere Stationen, bei denen von Erster Hilfe über Rettungsnetze flechten bis Huckepack im Rucksack des anderen sitzen alles dabei war. Außerdem übten wir im hütteneigenen Seilbahnturm das sog. Hochprusiken, der Bewegung geschuldet von uns auch als ugs. „Hochbumsen“ getauft. Als jedoch ein starker Regenschauer über uns kam, gingen wir nach drinnen, obwohl noch nicht jeder alle Techniken hatte ausprobieren können. Von draußen drang nur noch der Satz von Ralf, dem Leiter der nächsthöheren Gruppe, an unsere Ohren: „Ihr geht nicht rein, bevor der Grundkurs nicht reingeht!“, bevor die Stimme vom prasselnden Wasser verschluckt wurde. Nach dem Essen durften ich und mein Freund für einen dummen Spruch die nassen Seile am Turm aufräumen (insgeheim sehr begeistert, da wir eigentlich nochmal hinaufklettern wollten) und stießen anschließend wieder zur Gruppe dazu, die gerade dabei war, mobile Sicherungen in den löchrigen Fels zu legen, was wir uns, glaube ich, alle deutlich leichter vorgestellt hatten. Ich bin immer noch äußerst skeptisch, ob ich mein Leben jemals einem solchen Ding anvertrauen werde. Zu guter Letzt zeigte uns Jasmin noch, wie man ein Fixseil legt, und wir kletterten einer nach dem anderen nach oben. Man sollte meinen, der Tag wäre an dieser Stelle zu Ende, doch auch diese Rechnung haben wir ohne Roland gemacht. In seiner abendlichen Feedback- Runde kam zu Wort, dass manch einer doch gerne alle Übungen am Seilbahnturm gemacht hätte, worauf sich Roland kurzerhand entschloss, uns um etwa 20 Uhr nochmals nach draußen zu jagen und bis in die Dunkelheit hinein Übungen machen zu lassen. Die Stimmung des Sonnenuntergangs war magisch, und mit Blick auf den Mond und ein paar letzte Wolken, die in der Abendsonne erstrahlten, lauschten wir Rolands kurzem Exkurs über Lawinenkunde. Als sich dann plötzlich die Hütte dazu entschloss, eine letzte Gondel ins Tal zu schicken, schwang sich Jasmin wagemutig ein letztes Mal in die Höhe, um die restlichen Seile abzubauen, und wenig später fielen wir alle erschöpft ins Bett.

Ab in die Spalte 

Am Montag sollte es nun hoch hinausgehen (pun intended), denn das Ziel war zum ersten Mal der Gletscher! Es war einer der coolsten Tage der Woche. Zu Beginn bestiegen wir die steilen Ausläufer des Eisfeldes mit Steigeisen, hüpften dabei über Spalten hinweg, als wären es Zebrastreifen und gelangten so auf ein kleines Schneefeld, dass uns in den nächsten Stunden nun als Ausbildungslager dienen würde. Beim Sturztraining fehlte Roland etwas Engagement unsererseits, sodass er selbst Hand anlegte und uns den Sprung ins Tal etwas erleichterte. Später stießen die anderen Gruppen zu uns und wir begannen, uns auf 50 Meter Spaltenlänge abwechselnd in den Riss im Eis zu stürzen, während der Rest des Teams vollauf damit beschäftigt war, die erlernten Techniken anzuwenden, um den „Verunglückten“ wieder herauszuziehen. Besonders herausfordernd war es, als sich unser Basketball spielender Zwei-Meter-Hüne in die Spalte warf, doch das glichen wir geschickt aus, indem wir uns bereits Minuten vor seinem Sturz mental auf das Gewicht eines PKWs vorbereiteten. Schließlich am Ende des Eisfeldes und zurück auf festem Boden angelangt, erwartete uns noch eine böse Überraschung schung: Einer aus den höheren Gruppen war mit dem Fuß umgeknickt. Mit grummelndem Magen machten wir uns nun daran, alle gelernten Rettungstechniken in praktische Erfahrung umzusetzen, bis sich die Ausbilder dazu entschlossen, dass es genug sei und der umgeknickte Fuß doch nur ein kleiner Scherz gewesen war. Wir waren froh, nun doch noch pünktlich zum Abendessen zu erscheinen.

Der Erfinder des Tom-Cruise-Manöver sagt Tschüss

Am Dienstag gingen es zurück an den Felsen und wir übten wechselweise vorklettern, nachklettern und Fixseil legen, sammelten die zurückgelassenen Seile und Karabiner ein – und das alles in unablässigem Nieselregen. Aber wir sind ja nicht aus Zucker, sagten wir uns. Nun leider wurde der Nieselregen im Verlauf zu Starkregen, sodass wir uns dann an drei Stellen gleichzeitig, teilweise auch zu zweit an einem Seil, die Felswand des ersten Tages hinunterseilten und mit der Technik des „schnellen Rückzugs“ à la Tom-Cruise-Technik den Hang hinunterrannten. Am Abend mussten wir uns dann schweren Herzens schon einmal von Roland verabschieden, der aufgrund des angesagten Gewitters bereits früh am nächsten Morgen per Seilbahntaxi gen Rofenhöfen fuhr und somit an der Gipfelerklimmung am Mittwoch nicht dabei sein konnte. Wir wollen an dieser Stelle nochmal ein riesengroßes Dankeschön an Roland aussprechen. Wir sind wirklich froh, an deinem „letzten letzten“ Hochtourenkurs auf der Vernagthütte im Sommer dabei gewesen zu sein. All deine Erfahrung, die du mit uns geteilt hast – sei es draußen am Fels, am Gletscher oder beim Abendessen in Form von hunderten Geschichten über deine Zeit als Bergretter oder beim Militär – haben dazu geführt, dass wir den Kurs als ganz besonderes Erlebnis in Erinnerung behalten. Und wer weiß: Am Ende stehen wir sogar selbst irgendwann als Ausbilder für die nächsten Generationen bereit. Den richtigen Anstoß hast du uns dafür zumindest auf jeden Fall gegeben. Roland, harte Schale, weicher Kern – ganz im Gegensatz zu den elenden Holzbetten. Für alle, die nach uns kommen, die selbst Gletscher überqueren wollen und sich jetzt Sorgen machen, was ohne Roland geschehen soll, denen können wir nur sagen, dass er für äußerst kompetenten Nachwuchs gesorgt hat, der uns am letzten Tag sicher auf die Hochvernagtspitze gebracht hat.

Der Gipfel als krönender Abschluss

Dazu gingen wir frühmorgens in Richtung Gletscher los. Diesmal mussten die Teilnehmer selbst für kurze Streckenabschnitte
die Gruppe führen und den korrekten Kurs über das Eis finden. Der Himmel war wolkig und dichter Nebel begrüßte uns am Fuß des
letzten Anstiegs, doch wir gelangten ohne Probleme bis zum Gipfel, an dem ein wildes Festmahl aus angefrorener Schokolade, Studentenfutter und Energieriegeln entbrannte. Als wir schließlich wieder auf dem ersten Eisfeld angelangten, übten wir ein letztes Mal die Spaltenbergungstechniken, während die Sonne das Eis unter unseren Füßen zum Schmelzen brachte und sich so manch einer einen nassen Hintern holte. Somit wurde der letzte Tag auch gleichzeitig einer der sommerlichsten. Alle Gruppen trafen unten aufeinander und gingen den letzten Rest zur Hütte gemeinsam, wobei nicht am angrenzenden Gletscherbach vorbeigegangen werden konnte, ohne zumindest zu versuchen, einen kleinen Staudamm zu errichten. An dieser Stelle auch ein Dankeschön an Jasmin, die unseren Kurs großartig begleitet hat. Den nächsten hältstdu mit links allein!

Und damit wünschen wir euch allen ganz viel Spaß, solltet ihr selbst einmal das Wagnis wagen!